#75 „Auf einmal steht die Welt still“

Jule, 22 Jahre, ist Teilnehmerin der Trauergruppe „Du fehlst“ für junge Erwachsene (Stiftung Hospizdienst Oldenburg) und hat dort diesen schönen Text für Ihre verstorbene Oma mit uns geteilt.

Auf einmal steht die Welt still.        
Alles ist gut, ein Lächeln hier, mal eine Träne da, aber eigentlich ist alles klar
Alles normal, alles wie immer, ein Anruf zu Dir, ich habe dich bei mir, auch wenn wir nicht am gleichen Ort sind    
Wenn wir es sind, sehen wir uns, das ist wohl klar  
Denn das zeigt, unsere Liebe ist wahr          
Bedingungslos, ganz ohne großes Trara das brauchen wir nicht, das ist auch so da
Doch dann, alles ist gut, ein Lächeln hier, mal eine Träne da, aber eigentlich ist alles klar
Der Anruf
Der Anruf, der alles veränderte, der ein Stück aus meinem Herz rausriss
Der Anruf, der mir sagte, dass meine Blase bald zerplatzt
Die Blase, dass es kein Ende gibt, kein Tod, keine Trauer, kein Schmerz
Wir sind zwar zwei Generationen entfernt, doch aus dem gleichen Holz geschnitzt und das ist so viel wert, das ist auch nicht verkehrt
Auf einmal steht die Welt still, das Lächeln verschwindet, der Schrei, der Schmerz, nicht nur eine Träne, sondern ein ganzer Wasserfall ist da. Ein Wasserfall voller Schmerz, Liebe, Tränen, Wut, Überforderung, Verzweiflung und Hilfslosigkeit.
Eben war noch alles gut, ein Lächeln hier, mal eine Träne da, aber eigentlich ist alles klar
Wo soll ich hin mit mir?
Ich wollte in Hamburg doch immer zu Dir
Wir wollten noch so viel erleben, sehen, lachen, zu Aldi gehen und nach Wien fahren
Ich konnte es gar nicht fassen
Ich konnte es einfach nur hassen
Und der Schmerz wird nie ganz nach lassen
Ich habe dich bei mir, auch wenn du bist nicht mehr hier
Eben war noch alles gut, ein Lächeln hier, mal eine Träne da, aber eigentlich ist alles klar
Es wird besser werden haben sie gesagt
Es wird weniger weh tun
Der Schmerz wird besser
Aber was bringt weniger Schmerz, wenn die Sehnsucht bleibt?
Die Sehnsucht nach der Zeit davor, als alles schwereloser war und noch nicht so real, wahr?
Und dann die Gedanken daran, was noch kommen wird ohne dich
Ich kann es mir nicht vorstellen für mich
Heiraten ohne Dich
Kinder, die dich nie sehen werden und Uroma nennen werden
Mein zukünftiger Partner wird dich nicht treffen können
Wird es vielleicht nicht verstehen können
Ich werde es nie ganz verstehen können
Doch auf einmal steht die Welt still
Mein Herz pocht, mein Atem stockt, mein Kopf ist verstopft
Eben war doch noch alles gut und jetzt sitze ich hier ohne dir
Aber im Herzen bist du bei mir, für immer, für immer
Für immer werde ich dich lieben
Für immer werde ich die Trauer nie ganz besiegen
Für immer bleiben wir aus dem gleichen Holz
Für immer bist du mir im Herzen nah auch wenn du bist nicht da
Für immer bleibst du meine Oma, die beste!
Voller Liebe Jule


Veröffentlicht am
Kategorisiert als Uncategorized

Von Cordelia

2012 habe ich für die Stiftung Hospizdienst Oldenburg die Onlineplattform da-sein.de für trauernde und sterbende Jugendliche aufgebaut, die seit 03/2013 online ist.

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